(02 Mai 2023)
Der Morgen begann kalt, wie fast jeder Morgen auf dieser Reise. Noch eingewickelt in meinen Schlafsack überlegte ich, ob ich erst Kaffee trinken oder direkt meine Sachen packen sollte. Die Temperaturen waren frisch, aber die Aussicht auf die heutige Strecke trieb mich an. 100 Kilometer lagen vor mir, mit mehreren Optionen für mögliche Unterkünfte unterwegs. Mein Ziel war ambitioniert, doch ich wusste, dass ich flexibel bleiben musste.
Nach dem Zusammenpacken ging es los – doch schon bald gab es das erste Problem. Eine Rohrschelle an meinem Fahrrad war gebrochen. Zum Glück hatte ich noch Material vom letzten Mal dabei, sodass ich das Ganze notdürftig reparieren konnte. Ganz zufrieden war ich nicht, aber es hielt – vorerst.
Dann begann die eigentliche Fahrt. Der Fluss, den ich überqueren musste, war noch zugefroren, zumindest hoffte ich das. Ausgerüstet mit Regenkleidung war ich auf alles vorbereitet, denn der Wetterbericht hatte für den Nachmittag Regen angekündigt. Die ersten Kilometer liefen gut, doch mit dem einsetzenden Regen wurde die Strecke zur Herausforderung. Schnee, Matsch und Eis machten das Fahren schwierig, besonders entlang der Hauptstraße E8/E75, die ich schließlich verließ. Der alternative Weg war zwar ruhiger, aber nicht weniger anstrengend. Während ich mich durch das winterliche Finnland kämpfte, fragte ich mich immer wieder: Warum tue ich mir das eigentlich an? Doch die Antwort lag auf der Straße vor mir.
Nach einer regnerischen und anstrengenden Fahrt entschied ich mich für eine Nacht im Hostel in Kemi. Meine Schuhe und Klamotten waren komplett durchnässt, und bei den Minusgraden war es mir wichtiger, trocken und gesund zu bleiben. Am nächsten Morgen, mit trockenen Sachen und neuer Energie, machte ich mich wieder auf den Weg. Die Sonne schien, und trotz der niedrigen Temperaturen fühlte sich die Fahrt deutlich angenehmer an.
Ein besonderes Highlight des Tages: Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Rentiere! Obwohl sie in dieser Region häufig vorkommen sollen, war es für mich ein magischer Moment. Die Entscheidung, die Landstraße anstelle der Bundesstraße zu nehmen, hatte sich ausgezahlt. Die Landschaft war atemberaubend, die Ruhe wohltuend – und ich konnte die Natur viel intensiver genießen.
Ich passierte mehrere mögliche Schlafplätze, doch da es noch früh war, entschied ich mich weiterzufahren. Schließlich erreichte ich mein Ziel nach 112 Kilometern: eine kleine, einfache Hütte. Kein Feuerholz mehr vorhanden, aber mit meinem Gaskocher ließ sich das Problem leicht lösen. Die Erschöpfung war groß, doch der Stolz über die zurückgelegte Strecke überwog. Während ich mich für die Nacht einrichtete, überlegte ich meine Route für den nächsten Tag. Sollte ich den EuroVelo 10 nehmen, der mich durch das berühmte Weihnachtsdorf in Rovaniemi führen würde, oder eine ruhigere Route wählen? Die Entscheidung verschob ich auf den Morgen.
Nach einer kalten Nacht und einem schnellen Kaffee stand ein weiterer Meilenstein auf dem Plan: Der nördliche Polarkreis. Mit jedem Kilometer wurde mir bewusster, wie weit ich bereits gekommen war. Die Landschaft veränderte sich, es wurde einsamer, doch genau das hatte ich mir gewünscht.
Ein kurzer Stopp an einer Tankstelle brachte eine unerwartete Begegnung. Ein freundlicher Mann bot mir an, eine Nacht bei ihm zu verbringen – inklusive Dusche und einem warmen Bett. Doch seine Stadt lag 130 Kilometer entfernt, und es war nicht klar, ob ich meine Route entsprechend anpassen wollte. Eine Entscheidung, die ich später treffen würde.
Während die Reise weiterging, wurde mir immer bewusster, wie sehr mich diese Fahrt veränderte. Die Herausforderungen, die Wetterumschwünge, die endlosen Kilometer – all das formte eine Erfahrung, die mich noch lange begleiten würde. Und mit jeder neuen Etappe wuchs die Vorfreude auf das, was noch kommen würde.