Projekt Europa

6 Monate auf dem Rad

(14 März 2023)

Es war früh am Morgen, die Luft eiskalt und das Zelt von einer frostigen Schicht bedeckt. Der Gedanke, sich aus dem warmen Schlafsack zu quälen und das nasse Equipment zusammenzupacken, war alles andere als verlockend. Doch genau das gehörte zu einer Radreise durch Osteuropa dazu. Also raus in die Kälte und los ging’s! Die ersten Tritte in die Pedale waren mühsam, doch nach wenigen Minuten wurde der Körper warm. Jeder Atemzug war sichtbar in der kalten Luft, während die ersten Sonnenstrahlen zaghaft durch die Wolken brachen.

Die slowakischen Radwege, die mich mein Navigationssystem entlangführte, sahen teilweise fragwürdig aus. Doch immerhin waren sie befahrbar – im Gegensatz zu den Schlammpassagen der letzten Tage. Mit jedem Kilometer hoffte ich auf bessere Wege, während ich mich durch festgefrorenen Matsch kämpfte. Mein Stock war mein bester Freund, wenn es darum ging, den Dreck vom Rad zu kratzen. Die Reifen knirschten über den frostigen Boden, und trotz der Anstrengung spürte ich die Kälte in meinen Fingern.

Am Abend fand ich einen traumhaften Platz am Fluss, in der Nähe von Nitra. Der perfekte Ort, um das Zelt aufzuschlagen und die müden Beine auszuruhen. Doch die Entscheidung, im Zelt zu übernachten, war nicht immer die bequemste – ein Hotelzimmer wäre eine Option gewesen. Aber die Vorstellung, in die Stadt zu fahren, Gepäck hochzuschleppen und sich in ein überfülltes Gebäude zu zwängen, ließ mich dann doch im Zelt schlafen. In der Dunkelheit lauschte ich den Geräuschen der Natur, während ich in meinen Schlafsack gekuschelt die Anstrengungen des Tages Revue passieren ließ.

Der nächste Morgen begann mit dem üblichen Ritual: Kaffee kochen, Reifen aufpumpen und das Chaos der letzten Nacht zusammenpacken. Dann ging es weiter – durch Wälder, über matschige Pfade und steile Anstiege. Immerhin wärmte die Anstrengung, sodass die Regenjacke bald wieder ausgezogen werden musste. Die Straße wand sich bergauf, und mit jedem Höhenmeter wurde die Aussicht spektakulärer. Doch der Himmel blieb grau, und als ich den höchsten Punkt erreichte, begann es erneut zu regnen.

Ein Highlight des Tages: Eine einsame Feuerstelle mitten im Nirgendwo. Perfekt zum Verweilen und um über die nächsten Etappen nachzudenken. Doch das Wetter blieb unbeständig – Regen wechselte sich mit Sonne ab, die Wolken rissen immer wieder auf und ließen die Landschaft episch wirken. Ich nutzte die Gelegenheit, um ein Feuer zu entfachen und hie mein Zelt aufzuschlagen.

Der nächsten Morgen sollte wieder kalt werden. Die Abfahrt war rasant, der Wind pfiff an mir vorbei, während ich mit hoher Geschwindigkeit die Serpentinen hinunterrollte.

Nach unzähligen Kilometern und wechselhaftem Wetter gönnte ich mir zwei Nächte in einer Unterkunft. Die Gründe? Akkus aufladen, Videos schneiden und eine dringend benötigte Dusche. Zudem stand ein besonderes Jubiläum an: Sechs Monate war ich nun unterwegs. Eine verrückte Vorstellung, wenn ich an den Start meiner Reise zurückdachte. Ich ließ die vergangenen Monate Revue passieren – die Herausforderungen, die ich gemeistert hatte, die Menschen, die mir geholfen hatten, und die unvergesslichen Momente auf den Straßen.

Die tschechische Grenze war nur 15 Kilometer entfernt, und kaum war ich dort, fielen mir die gut ausgebauten Radwege auf. Doch das Wetter blieb ein Spielverderber: Der Wind machte meine Weiterreise zu einer Herrausfürderung. Die Nacht verbrachte ich unter einer Autobahnbrücke – nicht gerade idyllisch, aber zumindest windgeschützt. In solchen Momenten fragte ich mich, warum ich mir das antat – doch am nächsten Morgen, wenn die Sonne aufging und ich wieder auf meinem Rad saß, wusste ich die Antwort: Es war die Freiheit, die mich antrieb.

Am Morgen dann der nächste Grenzübertritt: Polen. Hier erwartete mich eine erfreuliche Entdeckung: Seit 2021 gab es offiziell freigegebene Wälder für Wildcamping. Perfekt für eine entspannte Nacht ohne Sorgen um unerwartete Begegnungen mit Ordnungshütern. Ich schlug mein Lager an einem kleinen See auf, kochte mir eine einfache Mahlzeit und genoss die Stille. Der Sternenhimmel war klar, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.

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