Projekt Europa

Portugals verbrannte Erde

(04 Dezember 2022)

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich wieder mein Zelt benutzt. Es war nicht nur ein dekoratives Gepäckstück auf meiner Reise, sondern wurde letzte Nacht mein Zuhause. Den Campingplatz, den ich gefunden hatte, war mit 4,60 Euro ein echtes Schnäppchen. Doch nach einer erholsamen Nacht hieß es wieder: aufs Rad und weiterfahren.

Die nächste Stadt lag nicht weit entfernt, also wollte ich mich dort erst einmal mit Vorräten eindecken. Mein eigentliches Ziel, Nazaré, war noch 80 Kilometer entfernt. Doch heute würde ich das wohl nicht mehr schaffen. Morgen sollte das Wetter wieder schlechter werden, aber vielleicht hielt sich die Vorhersage nicht und ich konnte die kommenden Tage genießen.

Bereits nach sechs Kilometern spürte ich die Strapazen. Die letzten Wochen waren relativ flach verlaufen, und mein Körper hatte sich daran gewöhnt. Jetzt traf mich der Höhenanstieg mit voller Wucht: 200 Meter Steigung mit 14 % Gefälle zwischendurch. Ich musste schieben. Meine Beine brannten, mein Atem ging schwer. Es wurde mir klar: Die Berge würden eine echte Herausforderung sein.

Figueira da Foz

Nach ein paar weiteren Kilometern fasste ich einen Entschluss: Ich würde zwei Tage in Figueira da Foz Pause einlegen. Mein Körper brauchte es. Also entspannte ich mich, ließ die Seele baumeln und tankte Kraft für die kommenden Tage.

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Am Morgen erwartete mich strahlender Sonnenschein - eine willkommene Abwechslung zum ständigen Regen. Gestern hatte ich einen Schnitt- und Ruhetag in einer Pension eingelegt. Es hatte sich gelohnt. Doch heute ging es weiter. Mein Fahrrad war wieder voll bepackt, und ich wollte eine andere Route einschlagen.

Schon bald bemerkte ich etwas Merkwürdiges: Überall standen verlassene, halb eingestürzte Häuser. Es wirkte wie eine Geisterstadt. Die Sonne stand hoch am Himmel, keine einzige Wolke in Sicht - ein perfekter Tag zum Radeln. Doch dann entdeckte ich etwas Beunruhigendes.

Die Landschaft um mich herum war von verbrannter Erde gezeichnet. Der Boden war schwarz, Baumstümpfe standen verkohlt in der Gegend herum. Hier hatte ein Waldbrand gewütet. Eine riesige Fläche, komplett zerstört. Ich konnte nicht genau sagen, wann es passiert war, aber es musste heftig gewesen sein.

Schließlich schlug ich mein Zelt auf - an einer Weggabelung, sodass noch jemand passieren konnte. Ich wollte die Natur nicht weiter belasten, nachdem sie bereits so viel Schaden erlitten hatte. Die Nacht würde lang werden: Zwölf Stunden Dunkelheit. Doch ich hoffte auf erholsamen Schlaf, um am nächsten Morgen früh starten zu können.

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Der Morgen begann eisig. Die Temperatur war in der Nacht auf drei Grad gefallen, und ich spürte die Kälte in meinen Knochen. Doch der Himmel war klar, und die Sonne begann langsam, die Luft zu wärmen. Ich packte mein Zelt zusammen und machte mich auf den Weg nach Nazaré.

Nazaré

Die Stadt war wunderschön, doch für einen Radfahrer mit Gepäck eine Katastrophe. Es ging ständig auf und ab. Statt auf einem Campingplatz zu übernachten, entschied ich mich für eine Pension, um den Abend noch etwas durch die Stadt laufen zu können.

Morgen sollte es ins Inland gehen. Ich musste nach Lissabon und auf dem Weg dorthin einen Decathlon aufsuchen, um mir eine neue Fleecejacke und Handschuhe zu besorgen. Meine Jacke hatte ich unterwegs verloren, und die Handschuhe - tja, die hatten sich auch verabschiedet. Der neue Plan bedeutete aber auch: mehr Höhenmeter. Aber ich war bereit.

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Am Morgen verließ ich Nazaré und spürte direkt die Erleichterung, nicht mehr durch die steilen Straßen der Stadt navigieren zu müssen. Mein Ziel war es, in zwei Tagen Lissabon zu erreichen. 125 Kilometer lagen vor mir. Ich wusste, dass ich heute schon einen guten Schlafplatz finden musste, da die kommenden Regionen dichter besiedelt sein würden.

Nach einiger Zeit fand ich eine vielversprechende Stelle: eine Wiese neben einem verfallenen Gebäude. Perfekt - oder? Ein Blick nach rechts ließ mich kurz zögern: direkt daneben ein Friedhof. Doch was soll’s? Ich stellte mein Zelt auf, und genau in dem Moment, als ich fertig war, begann es zu regnen.

Die Nacht wurde ruhig, und ich hoffte, morgen früh unentdeckt weiterfahren zu können.

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Früh am Morgen war ich schon unterwegs. Nach 15 Kilometern und einem Frühstück begann ich mein Fahrrad zu warten. Die hintere Scheibenbremse quietschte merkwürdig, und ich wollte mir das genauer ansehen. Bei der Gelegenheit nahm ich mir auch die Kette und die Ritzel vor - eine neue Bürste vom Decathlon sollte helfen, alles wieder sauber zu bekommen.

Doch dann fiel mir noch etwas auf: Mein Gepäckträger hatte sich bereits gut abgenutzt. Da er fest in den Rahmen integriert war, würde es problematisch, wenn er brach. Doch für solche Sorgen war heute keine Zeit. Ich musste weiter.

Wieder fuhr ich durch eine Gegend, die von Waldbränden gezeichnet war. Die Frage blieb: War das diesen Sommer passiert oder lag es schon länger zurück? Portugal hatte dieses Jahr einige große Brände erlebt.

Ich trat weiter in die Pedale. Noch lag ein langer Weg nach Lissabon vor mir.

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